Fassadenkratzer: 03-01-2025,

In wachsendem Maße macht sich von den parteipolitischen Vertretern des Staates die Behauptung geltend, Vertrauen in den Staat sei die Grundvoraussetzung für das Funktionieren demokratisch legitimierter staatlicher Institutionen. So spricht der Verfassungsschutz schon bei fundamentaler Kritik am Handeln staatlicher Funktionsträger von einer angeblich verfassungsfeindlichen „De-Legitimierung des Staates“. – Doch einer Demokratie freier Bürger ist wachsames, kritisches Verhalten immanent. Wer von vorneherein auf Vertrauen pocht, macht rückwärtsgewandt eine Autorität geltend, die heute vor dem Forum selbstbestimmter kritischer Bürger stets erworben werden muss.

Vertrauen in die Führung des Hirten; notfalls hilft der Hund nach. (Bild Pixabay)

Die Professorin für Slawische Literaturwissenschaft an der Universität Trier, Henrieke Stahl, ist in einer gründlichen Untersuchung 1 den Ursachen nachgegangen, weshalb Regierungen immer mehr Vertrauen in ihr Handeln einfordern. Vertrauen in den Staat gelte, so eine weit verbreitete Annahme, als Grundvoraussetzung „für das gerechte und effektive Funktionieren staatlicher Institutionen“ (OECD). Ein Mangel an politischem Vertrauen beeinträchtige die Regierungsfähigkeit. Insbesondere in Krisenzeiten sei der Staat auf „das Vorhandensein eines umfangreichen Vertrauensreservoirs“ angewiesen. 

Bei Vertrauensverlust sähen daher Regierungen Handlungsbedarf. So habe das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz beispielsweise in der Reaktion auf die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen im April 2021 einen neuen Phänomen-Bereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ eingerichtet. Der neue Beobachtungsauftrag solle sich mit Akteuren befassen, welche, auch wenn sie keine „offene Ablehnung der Demokratie als solche“ zeigen, diese dennoch gefährden, indem sie „das Vertrauen in das staatliche System zu erschüttern und dessen Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen“ drohen.

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