Manova: 15-01-2025,
„Russland bleibt transzendent und ist für das moderne Denken und Fühlen im Westen mit den dortigen Worten nicht zu fassen.“
Das hatte provozierend Professor Wladimir Gilmanow (2) von der Kaliningrader Kant-Universität gemeint, als er mir die Bekanntschaft mit jüngeren russischen Philosophen empfahl und den Kontakt zu Andrej Safonow herstellte. Wie kann es gelingen, Russland zu verstehen? Es wurde daraus eine mehrmonatige Erkundung und dieses Gespräch.
Zu unserem ersten Treffen im August 2024 kam Andrej mit einer großen Gitarre auf der Schulter und abgesehen vom Bart ganz unakademisch in Bluejeans. Er ist 38 Jahre alt, Magister der Philosophie, Lehrer an der Föderalen Immanuel-Kant-Universität Kaliningrad und engagiert sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter dort für die „Vereinte Bewegung Russische Philosophie“.
Er brachte ein Buch mit (3). Auf dem Umschlag die Sixtinische Madonna und als Titel in griechischer Schrift das magische „πλήρωμα“ (Pleroma), dieses Wort aus der griechischen Fassung des Neuen Testaments, das die lichtvolle Fülle alles Guten umfasst, das wir als Mensch noch erkennen können. Ich musste mich kneifen, glaubt mir keiner zu Hause: Da kommt ein Mensch so ganz heutig, gibt seinem ersten Buch einen so altertümlichen und zugleich anspruchsvollen Titel und spricht von seiner persönlichen Sehnsucht nach Büchern, nach Erkenntnis, nach Liebe und Gotteserfahrung. Und für seinen neben ihm sitzenden Freund und Kommilitonen Ilja Spesiwzjew ist dies die selbstverständlichste Sache der Welt. Eine erste Lehre: Wissenschaft und religiöses Gefühl bilden eine Einheit und sind in Russland anerkannte Wege der Erkenntnis.
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