Nachdenk Seiten: 27-06-2025,
Von Prof. Dr. Rüdiger H. Jung – Der „Geist unserer Zeit“ … „erhält uns im Tätigkeitstaumel, damit wir ja nicht zur Selbstbesinnung kommen und uns fragen, was dieses rastlose Hingeben an Ziele und Errungenschaften eigentlich mit dem Sinn der Welt und dem Sinn unseres Lebens zu tun habe.“ Nein, das ist kein dieser Tage geschriebener Satz. Das Zitat stammt von Albert Schweitzer aus seiner erstmals 1923 veröffentlichten ‚Kulturphilosophie‘. Die große Gesellschaftsanalyse des vor 150 Jahren geborenen Humanisten, Orgelvirtuosen, Philosophen, Theologen und Mediziners Albert Schweitzer ist von beeindruckender Aktualität. Um das Bedrückende an dieser Aktualität zu betonen, könnte man – vermutlich mit Zustimmung von Schweitzer – dem Tätigkeitstaumel den Krisen- und Paniktaumel hinzufügen, mit dem die Bevölkerung politisch und medial im Angstmodus gefangen und von einer Besinnung auf den wahren Wert des Lebens abgehalten wird.
Von Albert Einstein ist überliefert, dass er Schweitzer für den einzigen Menschen der westlichen Welt hielt, der in seiner moralischen Wirkung mit Mahatma Gandhi vergleichbar sei. Als Albert Schweitzer sich in den 1950er und 1960er Jahren im bereits hohen Alter unermüdlich gegen die atomare Aufrüstung und für ein friedliches Miteinander der Völker im Sinne seiner berühmten „Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben“ engagierte, waren es Zeitgenossen und Mitstreiter wie Albert Einstein, Werner Heisenberg, Otto Hahn, Linus Paulig oder auch der Philosoph Bertrand Russel und der erste UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld, die vor allem auf den Einfluss des moralischen Gewichts Schweitzers setzten. Was läge näher, als in der heutigen Zeit, wo mit schier unerträglicher Umdeutung im politischen Raum Ideologie als Moral deklariert wird,